Mo, 11. Nov. 2024
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Zeitreise
Molkerei
In unserer Rubrik „Zeitreise“ richtet sich der Fokus auf markante Kapitel und Gebäude der Burgdorfer Stadtgeschichte sowie auf bedeutende historische Persönlichkeiten, die prägenden Einfluss auf das städtische Leben hatten. Zudem geht es um ehemals einflussreiche Unternehmen, die eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung Burgdorfs verbunden waren, aber mittlerweile ihre Pforten für immer geschlossen haben. Im Mittelpunkt des ersten Beitrags steht die Burgdorfer Genossenschafts-Molkerei.
Die Burgdorfer Genossenschaft-Molkerei
Die Versammlung des Landwirtschaftlichen Vereins beschließt im März 1894 die Gründung einer Genossenschafts-Molkerei in Burgdorf. Zahlreiche Landwirte aus Burgdorf und Umgebung erklären bereits in der Versammlung ihren Beitritt. Damit ist das Vorhaben gesichert. Schon kurze Zeit später kommt es zum Kauf eines Grundstückes gegenüber dem Schützenplatz (Vor dem Hannoverschen Tor 27). Den Auftrag für die Bauarbeiten erhält der Maurermeister Gewecke aus Burgdorf. Obwohl die Erdarbeiten erst Anfang Juni beginnen, kann die Milchverarbeitung schon am 9. November 1894 aufgenommen werden. 110 Landwirte haben zu dieser Zeit Genossenschaftsanteile gezeichnet. Am ersten Betriebstag werden schon 3.000 Liter Milch angeliefert. Die Maschinen, so berichtet das Wochenblatt, arbeiten mit äußerster Präzision. 150 Pfund Butter werden am ersten Arbeitstag der Molkerei erzeugt.
Das Betriebsgebäude ist ein zweigeschossiger Putzbau mit Zierfachwerk im Landhausstil. Im Obergeschoss befindet sich die Wohnung des Geschäftsführers der Molkerei. Das Erdgeschoss nimmt die Betriebsräume und ein Büro auf.
Die Genossenschafts-Molkerei im Gründungsjahr 1894
Milchzulieferung aus dem Burgdorfer Land
Die Bauern im Burgdorfer Land liefern die von ihnen erzeugte Milch an die Genossenschaftsmolkerei. In jedem umliegenden Dorf gibt es einen Landwirt, der seine Pferde vor einen genossenschaftseigenen Flachwagen mit Wetterhäuschen spannt. Es ist meist ein Kleinbauer, der durch diese Arbeit sein bescheidenes Einkommen aufbessert. Die Bauern stellen die gefüllten Milchkannen früh morgens an den Straßenrand oder auf eine kleine Rampe vor ihrem Hof. Der Milchkutscher sammelt die Kannen ein und fährt sie bei jedem Wetter über die nach Burgdorf führenden Landstraßen zur Molkerei vor dem Hannoverschen Tor. An einer Rampe auf der Ostseite fahren die Wagen vor und laden ihre Milchkannen ab. Noch bis zur Mitte der fünfziger Jahre rumpeln die Milchwagen mit ihren hölzernen, eisenbeschlagenen Rädern vormittags durch Burgdorfs Straßen. Erst danach lösen von Treckern gezogene gummibereifte Flachwagen die alten Fuhrwerke ab.
Die Burgdorf Molkerei auf einer Postkarte von 1910
Molkereigenossenschaft verzeichnet permanentes Wachstum
Die Molkereigenossenschaft gibt auf ihrer Generalversammlung im Juni 1897 bekannt, dass im ersten Geschäftsjahr schon ein Gewinn von 16.751,10 Mark erwirtschaftet werden konnte. Die Zahl der Genossen ist auf 343 angewachsen. Es folgen Jahre des permanenten Wachstums. In der Generalversammlung der Molkereigenossenschaft im Burgdorfer Schützenhaus, die der Vorsitzende Otto Bethmann leitet, erstattet Direktor Meyer den Geschäftsbericht für das Jahr 1933. Neun Millionen Liter Milch sind angeliefert, 644.000 Pfund Butter hergestellt. Die Finanzlage hat sich erheblich gebessert. Am 9. November 1934 begeht die Genossenschaft ihr 40jähriges Bestehen. Vorstandsmitglied Otto Ebeling dankt Betriebsleiter Helmuth Möller, der 40 Jahre für die Molkerei tätig war. Die Zahl der Genossen ist von 44 im Gründungsjahr auf über 800 gestiegen. In ihrer Generalversammlung am 29. Mai 1936 beschließt die Molkerei Burgdorf - bisher eine eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung-, die beschränkte Haftung einzuführen. Die Haftungssumme je Genosse beträgt 200 Mark.
Die Burgdorfer Molkerei um das Jahr 1930
50-jähriges Geschäftsjubiläum
Am 9. November 1944 kann die Molkerei Burgdorf ihr 50-jähriges Geschäftsjubiläum begehen. Die Milchanlieferung hat sich in dieser Zeit von 2,2 Millionen Liter im ersten Geschäftsjahr auf jetzt 12,3 Millionen Liter erhöht. Die Molkereigenossenschaft verzichtet 1944/45 kriegsbedingt auf eine Jubiläumsfeier, lediglich Vorstand und Aufsichtsrat gedenken in einer Sitzung des Tages der Gründung der Genossenschaft. Die beiden Gremien würdigen besonders die Verdienste des langjährigen Betriebsleiters Helmut Möller, der altershalber aus der Geschäftsführung ausgeschieden ist, aber trotz seiner 75 Jahre noch im Betrieb mitarbeitet. Um 1950 lässt die Molkerei ihr Betriebsgebäude erweitern und modernisieren. Das schöne Zierfachwerk verschwindet unter hellem Putz.
Die Burgdorfer Molkerei (Luftbild aus den 1950er Jahren)
Die letzten Jahre
Um weiterhin die betriebliche Rentabilität gewährleisten zu können, beschließt eine außerordentliche Generalversammlung der Molkerei Burgdorf eGmbH am 1. August 1963, mit der Milchwirtschaftlichen Absatzgenossenschaft mbH in Hannover zu fusionieren. Neun Jahre später steht die Molkerei vor dem wirtschaftlichen Ruin. An einer Schließung führt nun kein Weg mehr vorbei. Genau einen Tag vor dem 78-jährigen Geburtstag der Burgdorfer Molkerei verlässt am 10. April 1972 der letzte Milchwagen den Hof des Betriebes. In seinen besten Zeiten hat das Werk fast 80.000 Liter Milch täglich verarbeitet. Vorerst soll die Burgdorfer Molkerei noch als Versorgungsdepot dienen. Seit dem 4. November 2010 sind im ehemaligen, mittlerweile umgebauten und nun als Rathaus IV genutzten Gebäude das Tiefbauamt, die Straßenverkehrsbehörde sowie die Stadtplanungs-Bau- und Umweltabteilungen der Stadt Burgdorf untergebracht.